Sam ist ein großer, sehr ernster Border Collie aus Showzucht. Sehr groß und kräftig für einen Border Collie. Sam läuft immer ohne Leine schnurstracks vor seinem Herrchen oder Frauchen her, etwa 20 Meter vorneweg, guckt nicht links und nicht rechts.
Wenn Blacky Sam von weitem sieht, dreht er sofort auf dem Absatz um, zieht den Kopf ein, legt die Ohren zurück und läuft zielstrebig in die entgegengesetzte Richtung. Wenn ich an Sam vorbeilaufen wollte, müsste ich Blacky an der Leine hinterher ziehen. Blacky möchte definitiv NICHT in Sams Nähe kommen. Auch nicht mit meiner Deckung, der er sonst immer vertraut.
Dabei guckt ihn dieser Hund nicht mal an.
Sam ist ein Alpha-Tier. Sam kann Alpha-Wurf.
Als Blacky noch sehr jung war, war Sam gnädig (Sam kann auch "Welpenschutz") und hat sich sogar ein gaaanz kleines bisschen für den Jungspund interessiert. Bis zu dem Tag, als Blacky ein Stadium der Adoleszenz erreicht hatte, in dem er nicht mehr in Sams Territorium geduldet war.
Das ging so schnell, dass ich es nicht mal richtig gesehen habe. In einem Moment nähert sich Blacky pudelgrinsend und popowackelnd dem größeren Rüden - im nächsten liegt er absolut reglos auf dem Rücken, der Border Collie über ihm. Mit einem Gesichtsausdruck wie der böse Löwe aus dem Disney-Film. Lautlos und völlig ohne Umschweife. Kein Knurren, kein Drohen, Zack.
Herrchen hat seinen Hund runter gepflückt, es ist nichts passiert, eigentlich habe ich seither schlimmere, lautere Rüdenangriffe mit mehr Zähnen erlebt, aber nichts hat Blacky jemals so nachhaltig beeindruckt. Er hat Sams Überlegenheit komplett und unzweifelhaft anerkannt. Der Alpha-Wurf war eindeutig erfolgreich!
Seitdem frage ich mich; Wie kann man ernsthaft meinen, man könne nach diesem Vorbild einen Hund erziehen? Will ich, dass mein Hund nur eins im Sinn hat, wenn er mich sieht - nämlich: "Bloss Abstand halten?"
Wer solche Dominanz-Geschichten für artgerechte Erziehung hält, der sollte sich klar machen: Wölfe mögen um Territorium und um Weibchen kämpfen (ich weiß es nicht genau, ob und worum Wölfe in freier Natur kämpfen) - aber sie kämpfen nicht um Anführerschaft. Sie gründen keine Beziehung auf solche Auseinandersetzungen. Der Unterlegene wird nicht zum Gefolgsmann. Der hat sich zu verpissen, Punkt.
Blacky will Sam nicht folgen, nicht seine Befehle ausführen, nicht mit ihm jagen gehen oder sonst was. Und er ist für Sam nicht Beta oder Omega, sondern einfach nur Luft - solange er es nicht wagt, sich zu nähern.
Aber das würde Blacky im Traum nicht einfallen. Respekt hat er vor Sam, das sicherlich - aber nicht die Art von Respekt, die ich gerne entgegengebracht bekomme von meinem Hund.
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