Der Wolfs-Mythos und die Dominanz

Ja, die Wölfe, die Hundeerziehungs-Schablonen Nummer 1. Ganz viel kann man da lernen über seinen Hund, von den Wölfen.
Zum Glück wissen wir wenigstens inzwischen, dass der ganze Alpha Beta Omega Kram ziemlicher Humbug ist, jedenfalls, wenn es um freilebende Wölfe geht. 
Obwohl, es wäre doch schön, wenn sich das wirklich mal rumsprechen würde, dann müssten nicht mehr soviele Leute ihren Hund aus dem Bett schmeissen und mit kalten Füssen schlafen, nur weil sie unbedingt Alpha sein wollen... Zusammenphantasierte Hierarchie-Rangkampf-Rudel-Vorstellungen sind schlechte Modelle.

Die ganze Sache mit den Wölfen ist entschieden komplexer (Überraschung) als man sich das dachte, und eigentlich weiß man ja sowieso nur recht wenig über Wölfe. Trotzdem taucht die Frage, wie "die Wölfe das unter sich machen" ständig irgendwo auf, wenn es um Hundeerziehung geht.

Ehrlich gesagt: Ich finde Wölfe sehr faszinierend, aber ich habe keinen. Gott sei Dank! Es wäre schwierig bis unmöglich, mit einem Wolf zusammenzuleben, weil er sich - Achtung, jetzt kommt die Erkenntnis - ganz anders verhält, als ein Hund. Freilebende Hunde leben nicht in Gruppen zusammen, ziehen Nachwuchs nicht gemeinsam auf,  jagen nicht organisiert. Dafür sind Hunde dem Menschen gegenüber weniger scheu, akzeptieren Menschen sogar als Sozialpartner, und ziehen ihn häufig den eigenen Artgenossen vor.
Hunde sind keine Wölfe.
Und ein Wolfsrudel ist schon gar kein Rollenmodell für das Mensch-Hund-Zusammenleben.

1. Wir sind offensichtlich nicht Mitglieder derselben Spezies, und das weiß auch mein Hund.
2. Ein Rudel ist eigentlich ein Elternpaar mit Nachwuchs (meist diesjährigem und vorjährigem). Hmm, welche Rolle haben ich und mein Hund da? Partner? Eltern - Kind?
3. Rudel sind außerordentlich dynamisch. Das Elternpaar bleibt, nimmt man an, dauerhaft zusammen, aber der Nachwuchs verlässt das Rudel nach der Geschlechtsreife. Mein Hund dagegen wird erwachsen, bleibt aber bei mir.
4. Rudel leben territorial, Einzelgänger durchstreifen andere Reviere auch mal, Rudel schliessen sich auch mal zusammen, aber im großen und ganzen ist das Wesen des Wolfes territorial. Hunde dagegen leben nicht territorial, sondern müssen sich ihr Territorium mit vielen anderen Hunden teilen.
5. Wölfe sind wilde Tiere, ihre Umwelt ist die Natur. Hunde sind domestizierte Tiere, ihre Umwelt ist die Menschenwelt.

Trotzdem bekommt man immer die Wölfe um die Ohren - und dann auch noch die Sache mit der "Dominanz" - ein Begriff, der nicht definiert ist, sich in Bezug auf freilebende Wölfe als nicht nützlich erwiesen hat und der Mensch-Hund-Beziehungen tausendfach vergiftet. Die Idee, man müsse ständig mit seinem Hund um Vormacht konkurrieren, ist weit verbreitet. Weil das bei den Wölfen angeblich auch so ist... Selbst WENN es so wäre - man möchte schreien: Und was gehen mich die Wölfe an!!

James O'Heare schreibt in seinem Buch Die Dominanztheorie bei Hunden: Eine wissenschaftliche Betrachtung:

 "Wie können Sie ein Tier lieben, von dem Sie überzeugt sind, dass es versucht, Sie vom Thron zu stossen, und das nur bestrebt ist, der "Boss" zu sein? Es kann nicht genug betont werden, wie sehr die Dominanztheorie den Beziehungen zwischen Hund und Mensch geschadet hat."







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