Das Dilemma der Züchter

Sind Mischlinge gesünder? Ist reinrassig ein Qualitätsmerkmal? Braucht ein Hund Papiere? Warum sind manche Hunderassen besonders betroffen von Krankheiten?

Je mehr man sich mit solchen Fragen beschäftigt, umso mehr neue Fragen stellen sich.

An der Oberfläche ist alles ganz einfach.

Ein verantwortungsvoller Züchter ist natürlich am empfehlenswertesten. Ein Rassehund bringt vorhersehbare Eigenschaften mit. Auch ein Mischling kann Erbkrankheiten haben, man kennt ja die Eltern nicht. Gute Zuchtvereine bemühen sich darum, Krankheiten auszumerzen, nur getestete Hunde kommen in die Zucht.

Zucht bedeutet nicht, einfach nur Hunde zu vermehren, sondern die Rasse zu verbessern.

Was heisst "Rasse verbessern"?

Diese Frage habe ich in den vergangenen Jahren häufig gestellt. Antworten laufen immer darauf hinaus: Alles testen, prüfen, begutachten und nur das beste (je nach Eigenschaft - Gesundheit, Arbeitseigenschaften, Optik) kommt weiter.

Klingt gut. Genau auf diesen Grundsätzen ist die moderne Hundezucht (ca. 150 Jahre alt) aufgebaut. Bis heute.

Wer es geschafft hat, sich im Biologieunterricht konsequent die Ohren zuzuhalten, und die Erkenntnisse der Populationsgenetik aus den letzten 100 Jahren vollkommen ignoriert, glaubt das immer noch.

Die moderne Hundezucht mit ihren geschlossenen Zuchtbüchern und dem Credo der "Reinzucht" hat jede Menge kleine, abgeschnittene Inselpopulationen erschaffen, genetische Flaschenhälse bzw. Trichter: seit jeher bedeutet das in den meisten Fällen Sackgassen der Evolution, das Aussterben der Population, sobald diese zu klein wird. Ist es das, was wir jetzt erleben? Ganze Rassen, bei denen die Neigung zu frühen Krebserkrankungen so ausgeprägt ist, dass man kaum noch damit rechnen kann einen Hund zu erwischen, der älter wird als 8 Jahre, Rassen, bei denen eine tödliche Herzerkrankung mindesten einen von 3 Hunden in jungem Alter trifft, Rassen, bei denen so gut wie alle Individuen unter Urinsteinen leiden, wenn sie nicht Spezialfutter bekommen, Rassen, bei denen Blindheit weit häufiger vorkommt als in einer gesunden Population... ist das alles Züchterpech oder schlicht und einfach das Ergebnis von Naturgesetzen, die man eben nicht umgehen kann?

In meiner bescheidenen Erfahrung sind das unbequeme Fragen, die in Züchterkreisen ungern gehört und selten gestellt werden. Umso überraschender und beeindruckender dieser Artikel:

Come talk to me, my friend dog breeder

Und hier, in der der deutschen Übersetzung:

Lass uns reden, mein Hundezüchter-Freund


Erstaunt hat mich allerdings die Schlussfolgerung der Autorin.

"....when the breed has spent its entire lifetime with us, thought its birth, growth, maturity, deterioration, and it is now time for it to go, we must let it. ...
When the time comes for your breed to go, let it. "

"... wenn die Rasse ihr ganzes Leben mit uns verbracht hat, Geburt, Wachstum, Reife und Verfall, und es ist jetzt Zeit, dann müssen wir sie gehen lassen. Wenn die Zeit für deine Rasse kommt, lass sie gehen. "

So weit geht der Glaube an die "Rasse", dass man sie lieber aussterben sieht, als sie - durch Veränderung - zu erhalten?
Viel naheliegender wäre es doch, den Genpool zu erweitern. Passende Individuen anderer Rassen einzukreuzen. Natürlich verliert man dabei ein paar typische Eigenschaften... Aber ist es wirklich so wichtig, ob ein Hund einen braunen Punkt auf der Nase hat oder einen Ringelschwanz?

Man muss ja nun weiß Gott nicht gleich alle sinnvollen Selektionskriterien über Bord werfen. Aber der Unsinn der Farbzucht, der streng getrennten Schläge, der reinen Schönheitszucht, dem Beharren auf Reinrassigkeit um jeden Preis - warum kann man damit nicht aufhören, statt gleich die ganze Rasse zu zerstören?

Man muss ja auch nicht eine Dogge in den Chihuahua-Genpool einbringen. Aber es gibt so viele Rassen, die sich in Aussehen und Verhalten bzw. Verwendungszweck ähneln. Vielleicht liegt darin der Ausweg aus der genetischen Sackgasse, in die der unsinnige Glaube an die "Rassereinheit" die Hundezucht manövriert hat.

Was die Genetik angeht, gibt es kein "Reinrassig" und "Mischling". Das sind keine Begriffe, die in der Biologie irgendeinen Sinn ergeben, sondern es sind ideologische Begriffe, deren Bedeutung nur aus Glaube und blinder Überzeugung erwächst, und nicht aus wissenschaftlichen Fakten.

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Und die Zukunft der Hundezucht vielleicht auch...








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