Wer bewegt wen?

Der Fels in der Brandung. Jemand, "auf den man bauen kann". Souveränität, Autorität und Verlässlichkeit haben ganz viel mit Stabilität zu tun. Das Gegenteil  -  Unsicherheit und damit das Unvermögen, zu führen und zu leiten, assoziieren wir mit Instabiltät. Wir werden "aus der Bahn geworfen", jemand ist "ein Fähnchen im Wind", man kann sich auf ihn nicht verlassen.
Das sind nicht nur sprachlichen Metaphern, sie besitzen psycholgische Wahrheit. Für alle sozialen Wesen, nicht nur Menschen. Es geht um emotionale Stabilität - die ihren Ausdruck durchaus auch in körperlicher Stabilität findet.

Im Natural Horsemanship ist die Frage "Wer bewegt wen?" der Schlüssel
zum Vertrauen des Pferdes. Indem man dem Pferd zeigt, dass man selbst der Fels in der Brandung ist, wird man in seinen Augen zur Autorität, zum echten Anführer (nicht durch Gewalt oder Demonstration von Stärke). Pferde testen so, welchem anderen Pferd sie in einer Gefahrensituation folgen würden. Und Pferde hinterfragen auf diese Art den Menschen, der mit ihnen umgeht.

Meine Bonni ist absolut leicht und unkompliziert zu führen. Sie folgt mir am durchhängenden Strick, verstellt mir nicht den Weg, passt auf, wo ich hingehe. Um so mehr habe ich mich gewundert, als meine neue Reitbeteiligung mir erzählte, sie müsse Bonni ständig zum Weitergehen auffordern, von jedem Grashalm wegziehen. Meine gut erzogene Bonni? Mein schlaues Pony ist ein absoluter Meister in Spiel "Wer bewegt wen?" Ihr reicht ein winziger Schritt zur Seite - der neue Mensch weicht aus - und schon weiß sie, dass sie die Entscheidungen treffen kann, und muss. Denn von diesem Menschen ist nichts zu erwarten. (Zum Glück folgt daraus nicht, dass es beim Reiten gefährlich wird. Bonni mag es, auf ihre Untergebenen aufzupassen und trägt sie brav durch die Gegend).
Bei Bonni ist sowas schnell erledigt, die Reitbeteiligung hat gelernt, dass sie sich nicht rumschubsen lassen darf, und Bonni, die überhaupt keine Ambitionen hat, die Weltherrschaft an sich zu reissen, hat das sofort registriert. Also doch jemand, der was zu sagen hat!

Noch besser ist Bonni im emotionalen "Wer bewegt wen?" Wenn sie etwas nicht will, bleibt sie stehen und bewegt sich gar nicht mehr. Damit hat sie mich früher dazu gebracht, ungeduldig und wütend zu werden, mich aufzuregen. Sie hat mich emotional bewegt - aus dem Gleichgewicht gebracht (wieder so eine Metapher) und damit wieder und wieder die Bestätigung bekommen, dass man auf mich nicht 100% bauen kann. Erst, seit ich gelernt habe, auf ihre Frage "Muss das sein?" mit einem Lächeln und ruhiger Konsequenz zu antworten, ohne hektisch und unruhig zu werden, kann sie mir wirklich vertrauen.

Ich habe noch nie gehört, dass jemand dieses Prinzip auf Hunde anwendet. Aber ich glaube, es ist durchaus vergleichbar. Und man kann auch dem Hund in 1000 kleinen Alltagsdingen zeigen, dass er es ist, der sich bewegen muss - nicht wir. Mir kam der Gedanke, als ich Blacky vorhin angeleint habe. Ich bleibe - aus dem Umgang mit dem Pferd geschult - stur auf der Stelle stehen und erwarte, dass er zu mir kommt, und zwar so nahe, dass ich mühelos die Leine einhaken kann. Ich gehe keine zwei Schritte zu ihm hin. Ebenso wenig lasse ich mich auch nur einen Zentimeter zur Seite ziehen (Da war Bonni die perfekte Lehrerin). Sollte er doch mal zur Seite ziehen, dann beordere ich den Hund zu mir zurück, auf den Weg, den ich gehen wollte. Ich weiß, wo ich langgehen will, und wenn mein Hund weiß, dass ich weiß, was ich tue - dann bin ich für ihn auch kein Fähnchen im Wind.

Ich glaube, es lohnt sich, mal darauf zu achten, wer wen bewegt. Kriegt der Hund mich dazu, dauernd auf ihn zu reagieren? Hinter ihm herzurennen? Kann er mich ziehen, anhalten, schneller werden lassen? Und wenn ja - wozu macht mich das? Zu einem Fels in der Brandung sicher nicht.

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