Der blöde Spruch der Woche

"Macht nicht den Fehler, Hunde wie Menschen zu behandeln, sonst behandeln sie euch wie Hunde!"

Klingt ja irgendwie clever und witzig, auf den ersten Blick. Aber bei näherem Hinsehen - was soll das bedeuten? Gemünzt ist es wohl einfach auf typische Missverständnisse, insbesondere was körperliche Nähe oder Blickkontakt angeht. Wir Primaten mögen Umarmungen, kraulen gerne mit unseren Händen - so wie unsere Vorfahren sich lausten - suchen direkten Blickkontakt usw.
Hunden ist ihre Individualdistanz wichtig - und ihre Art, primatenhafte Übergriffe zu verhindern, ist Knurren oder Abschnappen. Ja, das ist das häufigste Missverständnis unserer beiden Spezies.

Der Weg, das zu lösen, ist aber tatsächlich nicht nur einerseits, die Signale des Hundes zu lesen und zu beachten, ihn also als Hund zu behandeln. Sondern tatsächlich andererseits, ihn wie einen Menschen zu behandeln - nämlich mit Respekt. Und ihm das Menschenverhalten verständlich und sogar angenehm zu machen. Hunde können sehr wohl lernen, Blickkontakt aufzunehmen, und es gehört ja sogar zu den Domestikationsmerkmalen, dass sie Blickkontakt suchen. Gleiches gilt für Berührungen. Es gibt Hunde, die es nicht mögen, und das sollte man respektieren - aber WER hatte noch nie einen wohlig grunzenden Hund neben sich auf dem Sofa, der sich ganz uncanidenhaft das Bäuchlein kraulen lässt?

Was einen Hund zum Hund macht - das ist doch genau das: Seine Beziehung zu  uns Menschen.

Was mich an diesem vordergründig cleveren, aber eigentlich einfach nur dummen Spruch genervt hat: Er fiel im Zusammenhang mit dem Vorfall um Chico. Einem Hund, der zwei Menschen getötet hat.

Hier das Interview dazu, im WDR: klick

Nichts an dem Verhalten dieses Hundes könnte man so umschreiben, er habe seine Besitzer "wie Hunde behandelt".  Es mag sein, dass Rassen, die explizit für Hundekämpfe gezüchtet wurden - Kampfhunde eben - tatsächlich bis zum Tod kämpfen. Unter Missachtung der Gefahr für das eigenen Leben, trotz Gegenwehr. Normalerweise verlaufen Kämpfe im Tierreich aber nicht so, es gibt Gegenbeispiele (See-Elefanten kämpfen oft bis zum Tod), aber unter Caniden ist das kein normales Verhalten. Auch wenn der Mensch viele Hemmschwellen weggezüchtet hat - es bleibt ein Extrem.  Hunde behandeln sich gegenseitig nicht so.

Nicht von Geburt an (obwohl züchterische Selektion dafür gesorgt hat, dass es durchaus kampfbereite, entschlossene Hunde gibt, auch wenn die Kampfschmuser-Fraktion das gerne verharmlost), und auch anerziehen kann man so ein Extrem-Verhalten nur begrenzt. Man kann eben nicht aus einem Pudel einen Kampfhund machen. Keinen erfolgreichen jedenfalls.

Und der erste Teil des Spruches? "Macht nicht den Fehler, Hunde wie Menschen zu behandeln?" - DAS soll das Problem in diesem Fall sein? Geht's noch? Im Käfig halten, auf den Balkon kacken lassen, "scharf" machen? Chico - zu sehr vermenschlicht?

Natürlich hat der nette Tierarzt das im Interview nicht so gemeint. War ja mehr so allgemein gesprochen. Aber Anlass war der Fall Chico, ein außerordentlicher, außergewöhnlicher Fall, aus dem sich absolut keine Rückschlüsse auf normales Hundeverhalten ziehen lassen. Da gibt's kein "allgemein".

Aber es müssen ja unbedingt alle "Experten", die nicht bei 3 auf dem Baum sind, vor einen Kamera gezerrt werden und irgendeinen Senf abgeben. Ob's die üblichen medienerprobten Trainer sind, die sich gerne als große Hundebändiger gerieren, Verhaltenspsychologen oder Tierschützer - Hauptsache, jeder labert irgendwas daher, was mit Chico einfach gar nichts mehr zu tun hat. Solange es nur gut klingt.

Chico wurde erst als Waffe missbraucht, dann als Projektionsfläche für fehlgeleitete Tierschützer und jetzt noch als prima Gelegenheit für allerlei medienaffine Verhaltenspsychologen,  Hundetrainer oder Tierärzte, auch mal schlaue Sprüche im Fernsehen abzulassen.

Dass über den Fall Chico geredet wird, ist verständlich und muss sein. Aber dann redet doch auch über Chico. Chico ist kein Beispiel für alle Hunde.

Nehmt diesen schrecklichen Einzelfall als das was er ist: ein Einzelfall.

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