Chico und die Chihuahuas

Wie derzeit ein absolut außergewöhnlicher, tragischer Vorfall für alle möglichen Anliegen instrumentalisiert wird, lässt mich wirklich fassungslos zurück.

Die Menschenverachtung und Dummheit von sogenannten Tierschützern, die auf Facebook und anderswo ungehemmt Kommentare übelster Sorte absondern. Das Versagen und Herumlavieren von Behörden, die schon vor Jahren all das hätten verhindern können und müssen. Die völlige Verharmlosung der Gefahr, die erwiesenermassen von diesem Hund ausgeht, zwei tote Menschen sind tragischer Beweis dafür. Die unsägliche Gleichsetzung von Gefahrenabwehr mit einer deplatzierten Diskussion über Schuld und "Todesstrafe". Die Mediengeilheit eines Tierheims, das es fertigbringt, einen Hund, der Menschen getötet hat, der aufgrund von schlechter Sozialisierung und Haltung, bewussten "Scharfmachens" und akuten Schmerzen gefährlich wurde, ohne Maulkorb auf einer Straße spazieren führen zu lassen - wozu? Um sich als heldenhafte Resozialisierer von der "Free Chico" Bewegung feiern zu lassen?

Einen Aspekt möchte ich mir aus all dem herausgreifen.

Aber zuerst, vorausgeschickt: Ich bin zwiegespalten, was die "Rasselisten" und Kampfhundgesetze angeht, möchte mich nicht als "Pro" bezeichnen, aber kann auch nicht ehrlich behaupten, "Contra" zu sein.

Auch wenn das - ähnlich wie "Ich verwende Bavecto" oder "Mein Hund ist kastriert" oder "Ich füttere Trockenfutter" eine Aussage ist, die einem in gewissen Kreisen ordentlichen Gegenwind einbringt - ich stehe dazu.

Das Verschwinden der Kampfhunde aus den Parks und den zwielichtigen Ecken des Viertels, in dem ich als Studentin wohnte, nach dem Tod des kleinen Volkan im Jahr 2000 - ich habe dieses Verschwinden mit ehrlicher Erleichterung begrüßt. Ich hatte - und habe - Angst vor großen, starken Hunden mit Aggressionspotential in den Händen von jugendlichen Angebern und anderen Vollpfosten.
Und ich hatte - und habe - Mitleid mit den Hunden, mit der schlechten Aufzucht, Haltung, der Quälerei des "Scharfmachens" (erinnert sich noch jemand an die Videos von damals?),  mit dem Mißbrauch der Hunde als Statussymbol.

Ich weiß aber auch, dass die (Vor-?) Urteile gegen diese Rassen sehr oft die falschen treffen. Aber hier gilt für mich: Gefahrenabwehr geht ganz klar vor. Von daher: Ich möchte nicht, dass sich jeder bestimmte Hunde einfach so kaufen kann. Weder Leute, die damit anderen Angst machen wollen - noch Leute, die in völliger Verkennung der Rasseneigenschaften die Hunde als regenbogenpupsende "Kampfschmuser" verklären und schon jegliche Nennung einer Rasse in einem Zeitungsbericht als "Hetze" verurteilen.

Womit ich jetzt, nach langer Präambel, bei meinem Thema bin.

Überall liesst man diese Aussagen, nicht nur von den "Kampfschmuser-Uschis", sondern auch von den mehr oder weniger qualifizierten und mehr oder weniger medienerprobten Hundetrainern. Ich greife mal die Worte von Thomas Riepe heraus (hier der ganze Artikel):

Hundepsychologe Thomas Riepe hält wenig von solchen Zuschreibungen, er sagt: "Es gibt keine Rasse namens Kampfhund." Selbst aus einem Pudel oder einem Chihuahua könne man einen aggressiven Hund machen.
Ach ja?

Natürlich kann ein Pudel oder Chi aggressiv werden.  Es gab aber, in all den Statistiken, die ich finden konnte, keinen dokumentierten Fall, wo ein Pudel oder gar ein Chihuahua einen Menschen getötet hat. Es gibt Beißvorfälle, ja. Aber wie man allen Ernstes im Zusammenhang mit einer tödlichen Attacke auf zwei Menschen mit dem Pudel-Vergleich um die Ecke kommen kann - Geht's noch??

Es wäre mir ja egal, wenn sich Leute unbedingt lächerlich machen möchten. Aber das ganze Gelaber: Das Problem ist am anderen Ende der Leine - kein Hund kommt aggressiv auf die Welt - man kann aus jedem Hund einen gefährlichen Hund machen - das führt doch direkt zur Schlussfolgerung: Von JEDEM Hund geht Gefahr aus. 

Ich finde das einen Schlag ins Gesicht aller derer, die sich bewusst eine Rasse mit niedrigem Aggressionspotential suchen. Aller Züchter, die sich darum bemühen, wesensfeste Hunde mit wenig Aggressivität zu züchten. Es ist eine Missachtung der Tatsache, dass züchterische Selektion natürlich Rassen hervorgebracht hat, die ein sehr viel niedrigeres Aggressionspotential haben - weil sie z.B., wie der Labbi, bei der Jagdgesellschaft ruhig zwischen Menschen und Hunden liegen sollten, bis sie ihre Arbeit tun durften. 

Menschen haben auf der anderen Seite auch Schutzhunde gezüchtet, die gegen Eindringlinge und Gefahren mutig und entschlossen vorgehen sollen. Jeder, der einen DSH oder Mali zum Diensthund ausbildet, braucht genau diesen Mut und dieses Potential, die Härte und Schärfe - so jemand wird einem aber auch nicht erzählen, dass er einen "Kampfschmuser" hat, sondern weiß, dass der Hund angemessen ausgebildet und geführt werden muss. 

Ich möchte den Hundeführer sehen, dem es gelingt, aus meinem Pudel einen Hund zu machen, der ernsthaft schützt. Nicht kläfft und schnappt, sondern sich verbeißt, nicht loslässt, bis das Opfer reglos bleibt, nicht ablässt, wenn er geschlagen und getreten wird. 

Dafür hat der Pudel nicht das Zeug. Und das soll er auch nicht! Kein Trainer der Welt kann egal mit welchen Methoden, den Biss, den Mut, die Entschlossenheit und die Körperkraft an einen Hund "dranerziehen", die er braucht, um einen Menschen zu töten
Das muss im Hund stecken - gewollt, züchterisch herausselektiert, über eine lange Zeit. 

Menschen haben viele Spezialisten gezüchtet, zur Jagd, zum Hüten - und zum Kampf, gegen Bullen, gegen andere Hunde. Jagdhunde, Hütehunde, Kampfhunde. 
Ausführlich, kompetent und wie gewohnt auf den Punkt gebracht von Dr. Rückert: Heilig, heilig, heilig ist der Kampfhund


Aber statt einfach mal anzuerkennen, dass eben nicht jeder Hund nur das Produkt von Erziehung ist (wäre ja schön, wenn Erziehung so einfach und so effektiv wäre), statt dessen gibt man sich nun alle Mühe, der ohnehin verstörten Öffentlichkeit auch noch einzureden, dass jeder Pudel, jeder Labbi und sogar jeder Chihuahua potentiell gemeingefährlich ist.

Danke auch. 

Ja, ich weiß, Rasselisten treffen oft die falschen. Nun dafür zu sorgen, dass es NOCH MEHR falsche trifft - das ist mal echt ne kreative Lösung. 








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke! Ich werde den Kommentar so bald wie möglich lesen und freischalten.